Yugoslavia - Some dance to remember, some dance to forget

"Stiller_04", Siebdruck auf Papier, 40 x 30 cm, 2008, Foto: Juliane Mosterz

"Chaosmopolis", Fotografie, 2006

"Notiz", Folienmontage im Leuchtkasten, 80 x 100 x 10 cm, 2008

"Suburbia", Folienmontage hinterleuchtet, 200 x 270 x 15 cm, 2007

Serie "Stiller", Siebdrucke auf Papier, je 40 x 30 cm, 2008

Serie "Stilllegung", Folienmontage im Leuchtkasten, je 60 x 85 x10 cm, 2008

"Entfernte Ähnlichkeit", Folienmontage im Leuchtkasten, 60 x 85 x 10 cm, 2008

 

Fotoserie "Seltsame Materie", 2007/2008

Some dance to remember, some dance to forget

Wir sind auf einer Reise durch den Westlichen Balkan, das Schwarze Loch Europas. Mit Welcome to Sarajevo empfängt uns die Stadt. Wir fahren durch Novo Sarajevo, entlag der Sniperalley hinein in den Kessel. Die Zukunft einer heterogenen Welt liegt zwischen diesen Bergen, zwischen den Mineretten, Synagogen, Kreuzen jeder Coleur und dem ewigen Feuer eines Partisanenkampfes, auf dem heute Gipsys angeblich ihre Bratwürste grillen. Futures Past eines weltpolitischen Mikrokosmos. Others and Dreams von Sejla Kameric im Kopf.

Sarajevo ist kein Metropole und keine multi-ethnische Stadt mehr. Chaosmopolis, Stadt im Übergang. Der Mythos Sarajevo scheint heute konstruiert, alles erinnert irgendwie an irgendetwas. Eine Hinterlassenschaft des Krieges ist der Wegzug großer Teile der Sarajevoer kosmopolitischen und intelektuellen Gesellschaft und der Zuzug der Landbevölkerung. I hit the ground...That awful sound...my baby shot me down...bang bang.

Darko treffen wir im Underground. Er ist Kellner in dieser Bar und wie wir 1977 geboren. Darko erzählt von seinen Erinnerungen an Sarajevo vor dem Krieg, den Traumata einer jugoslawischen Jugend, seiner Zeit in Belgrad, den Partisanengroßeltern, den chinesischen Migrannt*innen in Sarajevo, einer Tito-Nostalgie, Turbofolk zwischen Euphorie und Melancholie, einer Reiselust ohne Visa, den Yugoschwaben, die in Deutschland arbeite(te)n und versucht uns den bitteren Humor der Bosnier*innen zu erklären ... Er steht in der Tradition der Comedyshow Toplista Nadrealista, die schon vor 1992 die Vorahnung des Horrorszenario der jugoslawischen Gesellschaft auf die Bildschirme brachte. Erschrocken über die Fortschreibung ihrer absurden Vorwegnahme der Geschehnisse auf dem Westlichen Balkan stellten sie die Sendung zu Kriegsbeginn ein. 

Es wird gebaut und restauriert. Straßen, Moscheen, Regierungsgebäude,  Wohnhäuser. Überall sieht man die Spuren der Tausendtägigen Belagerung und die Sarajevo Roses, Einschüsse von Granaten, haben sich wie Ornamente in die Stadt eingeschrieben. Und Ruinen, wie die des Hotels EUROPA und neue, von Kriegsgewinnler*innen illegal gebaute Häuser wie das Hotel SARAJ hoch über dem alten Zentrum gehören zum neuen Gesicht Sarajevos. Euphorie und Melancholie auf 141,5 km2. Die Fiktion von Nationalstaatlichkeit hat hier zu einer brutalen mörderischen Realität geführt. Doch geht man in Sarajevo aus, wird man kaum eine Person finden, die von sich behaupten kann, ausschließlich einer ethischen Zugehörigkeit zu entsprechen. Wir treffen unseren Freund Vuk, Geschichtsstudent und unser Begleiter durch Sarajevo. Würde man sich auf das mörderische Spiel einlassen, müsste man ihn als bosnischen Serben mit kroatischem Pass beschreiben. Muss er sich für eine Nationalität entscheiden, wählt er jugoslawisch. Vuk ist Gründungsmitglied von DOSTA! Dosta heißt ENOUGH und ist die hoffnungsvolle Jugendbewegung, die jenseits von nationalen Zuschreibungen eine Zukunft in Bosnien erträumt. Wir sind die Hunde aus Banja Luka brüllt es wütend von der Bühne des Dosta-Konzerts.

Pyrmiden soll es auch in Bosnien geben, die Tourismusbranche sieht hier einen Zulauf wie im Tal der Könige in Ägypten, doch bei der bosnischen Jugend findet die Erwähnung der Pyramiden nur ein müdes Lächeln oder eine zynische Praxis wie im song fuck all the nations that have no pyramides.

Welcome to Sarajevo? What comes after?

Kathrin Krahl und Stefanie Busch, 2007

Diese gemeinsame Reisereportage SOME DANCE TO REMEMBER SOME DANCE TO FORGET von 2007 entstand auf Initiative von Holger Kasten Grauberg und wurde in CO.OP#01 veröffentlicht.